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1628 meint
..... ab in die „Freiheit“ - ohne Arbeit, ohne Wohnung!
„Stell Dir vor, Du wirst nach Jahren der Strafhaft endlich in die Freiheit entlassen, aber Du findest keine Arbeit und keine Wohnung!“ Ein Alptraum für jeden Gefangenen in einer JVA. Nur, dieser Horror wird für so manchen, der zur Entlassung ansteht, zur Realität. Hat so ein Mensch keinerlei soziale Bindungen, keine soziale „Heimat“, wie ich es immer nenne, was, so frage ich Sie, was hat solch ein Entlassener für eine Zukunftsaussicht, was soll oder wird aus ihm werden? Wie heißt es so schön im § 2 VollzG:
„Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel).“
Und nun dieses Dilemma. Wurde ihm doch von allen Seiten immer wieder eingetrichtert, dass „Arbeit“ die Grundlage für ein geregeltes Leben ist, ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld keine Wohnung, kein normales Eingliedern in die Gemeinschaft. Und jetzt nochmals zum „Mitschreiben“, weil einige Mitmenschen, auch Betreuer, die Entlassung aus der Haft auf die leichte Schulter nehmen nach dem Motto: Na prima. Nun ist er wieder draußen!
Nichts ist „prima“, jetzt muss sich die Betreuung erst bewähren.
Unsere Schützlinge sind doch diejenigen, die keinerlei soziale Bindungen, sprich: Kein Geld und keine Bleibe haben. Alles, was sie besitzen, den Rest ihres bisherigen Lebens, tragen sie in ein, zwei Taschen bei sich, auch ein Briefumschlag ist in der Jackentasche: Das Entlassungsgeld, manchmal ein lächerlicher Betrag. So hat ihn nun die „Freiheit“ wieder, ohne Arbeit, ohne Wohnung!
Was nun?!?
Dass ein Mensch in dieser Lage, noch dazu etwas labil, wieder auf „dumme“ Gedanken kommen kann, ist nicht von der Hand zu weisen: „Um Geld zu beschaffen, könnte ich ja wieder ...“
Nein!!
Arbeit und Wohnung muss her, sonst ist die ganze Betreuung für die Katz gewesen!!
Wenn ich mich zurück erinnere an meine Entlassung, da war Arbeit das A und O allen Trachtens. Mit der Hilfe vom Sozialdienst ist es auch fast immer gelungen, Arbeitgeber zu finden, die Ex-Gefangene einstellen, Arbeit war ja vorhanden. Was dann der eine oder andere aus seiner Arbeitsstelle gemacht hat, blieb ihm überlassen, ich weiß von vielen Ehemaligen, dass sie dadurch den Absprung vom „Knastkarussell“ geschafft haben. Auch noch heute ist für mich Arbeit die Grundlage einer vollen Resozialisierung!
Sicher, es gibt jetzt für entlassene Strafgefangene, wenn sie in der JVA gearbeitet haben, das „Arbeitslosengeld“ – aber wie viel ist das, und wie lange wird es gezahlt? Es gibt Einrichtungen, in denen Entlassene einige Zeit unterkommen können. Es gibt diese und jene Stelle, die Bedürftige über kurze Zeitspannen unterstützen. Ersetzt das aber einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung, steigern Almosen das Selbstwertgefühl?
Ich sage nicht, dass Hilfen jeglicher Art nichts taugen. Unterstützungen und materielle Zuwendungen sind prima und notwendig – sie müssen aber immer das Ziel haben, die Selbstständigkeit des Klienten zu erreichen.
Unsere Gruppe, der ich angehörte, hat auch vieles versucht, Entlassene erst mal „unterzubringen“. Ob das nun das Bodelschwinghhaus, die Herzogsägmühle, die „Brücke“, in einem Bauernhof, bei einem Müllentsorger war oder sonst wo, am Ende stand meistens die eigene Wohnung und der gesicherte Arbeitsplatz.
Heutzutage ist die Beschaffung von Arbeit und Wohnung weitaus schwieriger und zeitaufwendiger, für den Entlassenen aber genauso wichtig und notwendig wie früher.
Sollen die Ehrenamtlichen das so hinnehmen und den Arbeitsplatzmangel bedauern oder können die Ehrenamtlichen für ihre Betreuten die Lage verbessern?
Was wir auf alle Fälle nicht sollen, ist: Die dafür zuständigen Stellen aus ihrer Verantwortung entlassen. Im Gegenteil, diese Stellen sollen für ihren gesetzmäßigen Auftrag immer wieder in die Pflicht genommen werden. Das Ansprechen dieser Stellen kann die LAG übernehmen, da muss aber auch das Ministerium für die Gefangenen einstehen! Ein Arbeitsplatz für jeden Entlassenen muss das Ziel sein, wenn nötig, mit „Förderung“.
Soweit, so gut. Bleibt für die Ehrenamtlichen noch einiges an Arbeit, nicht für den Gefangenen, nein, mit den Gefangenen. Es müssen Gespräche mit dem Betreuten stattfinden, vor der Entlassung, wie er seine Arbeitskraft, seine Leistung, überhaupt einschätzt. Was erwartet er an Endgelt?
Als ehemaliger Betriebsrat bei einer Baufirma sträuben sich mir die Haare, aber der Vorschlag muss sein: Ist es dem Entlassenen zuzumuten, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu vergrößern, für ein paar Euro weniger in der Stunde seine Mitarbeit anzubieten, als der Tarifvertrag das vorsieht?
Als „Ex“ kann ich nur jedem raten, solche Überlegungen anzustellen. 13 Euro in der Stunde, die ich bekomme, sind auf alle Fälle mehr als 15 Euro, die mir zustehen würden aus einer Arbeit, die ich nicht habe. Der Arbeitsmarkt ist halt zur Zeit recht angespannt. Um Arbeit (dadurch auch Wohnung) zu bekommen, muss der Entlassene, wenn es notwendig ist, über seinen eigenen Schatten springen können. Zu einem Arbeitsplatz gibt es für mich keine Alternative. Machen Sie das Ihrem Betreuten klar! Arbeit bedeutet Geld, und Geld ist notwendig, damit jeder seinen Verpflichtungen nachkommen kann, damit er sein Auskommen hat. Natürlich sind Arbeit und Lohn auch für das „Ego“ jedes einzelnen Entlassenen wichtig. Das Gefühl, wieder dazuzugehören, wieder anerkannt zu sein, baut ihn auf. Er muss von sich sagen können:
„Ich habe es geschafft!“
Man kann mir vorwerfen, Arbeit und Geld, Geld und Arbeit seien für mich das Wichtigste im Leben. Nun ganz so ist das nicht. Ich weiß recht wohl um die
„Vielfältigkeit“ des Lebens. Nur, Arbeit und Geld bedeuten auch „Sicherheit und Geborgenheit“, und Wohnung bedeutet auch „Heimat“, wo ich sagen kann: Hier bin ich „zu hause“, hier möchte ich leben.
Das sind alles „Zustände“ die Sie als ganz normal empfinden. Für so manchen Entlassenen ist es aber etwas ganz „Neues“, etwas bisher noch nicht Erlebtes. Erst dann wird sich mit der Zeit auch so manches einstellen: Liebe – Familie – Kinder – Religion – Aufgaben in Vereinen und Verbänden und mehr. Die Arbeit, der Arbeitsplatz ist für alles Weitere die Grundlage, und darum so wichtig!
Setzen Sie alle Hebel in Bewegung, Ihrem Betreuten einen Arbeitsplatz zu verschaffen, lassen Sie sich ganz neue Wege einfallen, die noch keiner gegangen ist, sprechen Sie alle möglichen und unmöglichen Leute an. Machen Sie was! Irgendwas geht immer ... !
Für mich ist es wieder und wieder ein Erlebnis, wenn ich sagen kann: „Ich habe alles Menschenmögliche getan, jetzt kann und wird „er“ es schaffen.
Meine „Arbeit“ ist getan!
Der Entlassene soll die neugewonnene Freiheit als „Freiheit“ erleben können – mit Arbeit und Wohnung, aber auch mit allen Rechten und Pflichten – wie jeder von uns.
Ihr 16 28
Sechzehn-Achtundzwanzig
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